Sie hatten sich eine Menge vorgenommen, die Iniatoren des Berliner Volksentscheids. Der sogenannte Energietisch, ein Zusammenschluss von mehr als 55 Organisationen wie zum Beispiel Attac, BUND und dem lokalen Mieterverein, wollte per Volksentscheid die Übernahme des Stromnetzes von Vattenfall und den Aufbau eines Stadtwerks zur Produktion und Verkauf von Ökostrom erwirken. Doch letztlich scheiterte der Versuch denkbar knapp: 25 Prozent der etwa 2,49 Millionen Wahlberechtigte in Berlin hätten mit Ja stimmen müssen, damit der Energietisch seine Ziele hätte umsetzen können. Da jedoch “nur” 24,1 Prozent den Befürwortern des Volksentscheids folgten, fehlten am Ende gut 21.000 Ja-Stimmen.
Freude und Enttäuschung liegen nah beieinander
Zwar konnte man eine Menge Menschen von der Idee der Übernahme des Stromnetzes überzeugen, doch letztendlich überwog die Enttäuschung, die gesetzten Ziele hauchdünn verfehlt zu haben. Das knappe Ergebnis des Volksentscheids bedeutete nicht nur für den besagten Zusammenschluss eine bittere Schlappe, sondern auch für die Grünen, Linken, Piraten und einem Teil des SPD-Landesverbands, die zu den Unterstützern zählten. Hingegen sorgte das Abstimmungsergebnis bei den Gegnern der Initiative für Freude und Erleichterung. Auf politischer Ebene hatten sich der schwarz-rote Senat und die Regierungsfraktionen von SPD und CDU gegen die Übernahme ausgesprochen. Auch viele Wirtschaftsverbände, die Industrie- und Handelskammer sowie Gewerkschaften nahmen die neuen Entwicklungen mit Zufriedenheit auf.
Auch der Senat möchte ein eigenes Stadtwerk gründen
Der heimliche Gewinner der Volksabstimmung ist ganz klar der rot-schwarze Senat, der sich nicht ohne Grund ausdrücklich gegen die Ziele des Energietisches gestellt hatte. Der Berliner SPD/CDU-Senat plant nämlich ebenfalls die Gründung eines Stadtwerkes. Zudem soll eine Bewerbung um die Konzession für das Stromnetz bereits vorliegen. Da die Regierung aufgrund des Ergebnisses nun im Vorteil ist, drohen in der Zukunft neue Auseinandersetzungen. Eines der Hauptprobleme: Der Senat lehnte einen Gesetzesentwurf der Initiative Energietisch ab, weil dieser die Finanzkontrolle durch das Parlament einschränken würde.
Streitpunkt: Was kostet der Rückkauf?
Nicht nur der Berliner Senat brachte seine Ziele deutlich zum Ausdruck, auch die Initiative warb vor dem Volksentscheid mit Nachdruck für ihre Pläne. Im Wesentlichen ging es den Initiatoren darum, die Stromwirtschaft Berlins in zwei Bereichen zu vergemeinschaften: Die Hauptanliegen waren der Rückkauf des Stromnetzes, das nun jedoch in privater Hand bleibt, und der Aufbau eines Stadtwerks. Die Zeit drängte, da die Konzession für den bisherigen Strombetreiber Vattenfall Ende 2004 ausläuft. Der Energietisch wollte mit seinem Vorstoß erreichen, dass sich Berlin mit einer eigenen Netzgesellschaft um die neue Konzession für das Stromnetz bewirbt. Doch alleine schon in Sachen Kaufpreis gehen die Meinungen der beiden Lager weit auseinander: Während die Befürworter von 400 Millionen Euro ausgehen, befürchten die Gegner des Rückkaufs Summen in Höhe von bis zu drei Milliarden Euro.
Soziale Ziele spielten eine Rolle
Darüber hinaus hatten sich die Initiatoren dafür ausgesprochen, dass das Land einen eigenen Versorger gründet, der ausschließlich auf Ökostrom aus der Region setzt. Die Tarife wären auch in unserem Strom Vergleich vorhanden. Ebenfalls spielten soziale Gesichtspunkte eine Rolle: So sollte das Stadtwerk die sogenannte Energiearmut bekämpfen und vor allem einkommensschwache Haushalte unter die Arme greifen. Die Chancen, diese Ziele durchzusetzen, sind aufgrund des knappen Scheiterns (es fehlten nur 0,9 Prozent der notwendigen Stimmen) nun jedoch deutlich gesunken. Allerdings steht auch fest: Nur derjenige, der die Konzession für sich entscheidet, hat auch das Recht auf den Besitz – und bei der Ausschreibung handelt es sich nicht etwa um eine politische Entscheidung, sondern um eine faire und transparente Ausschreibung. Die Diskussionen um die Stromversorgung in der Hauptstadt werden also noch weitergehen, auch wenn mit dem Ergebnis des Volksentscheids schon eine deutliche Richtung zu erkennen ist.